12. Gesellschaftliche Solidarität

Der Mensch ist als soziales Wesen erschaffen und kann ganz allein nicht überleben. Er bedarf seiner Mitmenschen, um mit ihnen enge Beziehungen zu knüpfen. Überdies ist der Mensch ein schwaches Geschöpf, dem die Kraft mangelt, um all seinen Bedürfnissen selbst gerecht zu werden. Darum sind die Menschen gezwungen, in Gruppen zu leben, einander zu unterstützen und ihre Pflichten Allāh gegenüber gemeinsam zu verrichten. Der ehrwürdige Prophet – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – sagte dazu: “Die Hand (Hilfe, Beistand) Allāhs ist mit der Gemeinschaft. Wer sich von der Gemeinschaft abwendet, der hat sich auf den Weg zur Hölle begeben.”[1] Und er sagte: “Die Gemeinschaft ist eine Gnade, die Zersplitterung ist eine Qual.”[2]

All die verschiedenen Formen von Gottesdiensten, die der Islam vorschreibt, wie das gemeinschaftliche Gebet, das Freitagsgebet, die beiden Festtagsgebete, die Pilgerreise nach Mekka, die Armensteuer, die Almosen und das Tieropfer, sowie auf das Mitmenschliche ausgerichtete Betätigungen wie das Begräbniszeremoniell, die Feierlichkeiten bei Hochzeiten und Beschneidungen, der Besuch am Krankenbett, das Pflegen verwandtschaftlicher Beziehungen und die Versorgung Bedürftiger dienen alle dazu, die Menschen zum Gemeinschaftsleben anzuregen. Natürlich ergeben sich auch oft Schwierigkeiten aus dem engen Umgang der Menschen miteinander. Um diese zu ertragen, bedarf es einer gewissen Opferbereitschaft. Der Islam verspricht den Muslimen, die innerhalb der Gemeinschaft leben und die Bürde ihrer Mitmenschen geduldig ertragen, großen Lohn.

Unser ehrwürdiger Prophet – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – besaß die besten Manieren und war von vollendeter Höflichkeit. Er fühlte sich oft durch das grobe und unverständige Verhalten der Menschen gekränkt, doch war er selbst stets bemüht, niemanden zu verletzen, und benahm sich freundlich gegen jedermann. Seinem Onkel ‘Abbās – möge Allāh mit ihm zufrieden sein – tat dieser Zustand in der Seele weh und er bemerkte einmal zum ehrwürdigen Propheten – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden: “O Rasūl Allāh! Ich sehe, wie die Menschen dich belästigen und wie der Staub, den sie aufwirbeln, dir zu schaffen macht. Warum lässt du dir nicht ein eigenes Zelt errichten, um dort mit den Menschen deine Unterredungen zu halten?” Unser ehrwürdiger Prophet – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden –, der als Gnade für alle Welten gesandt worden war, entgegnete jedoch: “Nein! Bis Allāh mich aus ihrer Mitte nimmt und in Seine Gegenwart eingehen lässt, werde ich weiterhin unter ihnen sein, selbst wenn sie mir gegen die Fersen treten, an meinen Kleidern reißen und mich mit dem Staub, den sie aufwirbeln, belästigen.”[3]

Der ehrwürdige Prophet – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden, empfahl auch seiner Gemeinschaft, das Gleiche zu tun, indem er sagte: “Der Muslim, der inmitten der Menschen lebt und allen Verdruss von ihnen erträgt, ist besser als der Muslim, der sich nicht mit ihnen abgibt und ihre Scherereien meidet.”[4]

Der Islam führt die Menschen zu einem dynamischen Leben und zu sozialer Betätigung, indem er uns befiehlt, unseren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, zu heiraten und Kinder großzuziehen, den Armen großzügig durch Almosen behilflich zu sein, unsere Zeit wohl zu nutzen, diese Welt möglichst als einen Platz zu betrachten, an dem wir uns das Jenseits verdienen, allen Menschen die Wahrheit zu verkünden und sie vom Irrtum fortzuführen und Hab und Gut, Leib und Leben, Ehre und Anstand, Volk und Heimat zu verteidigen.

Allāh, der Erhabene, sagt: {Wer auch nur entsprechend dem Gewicht eines Stäubchens Gutes tut, der wird es dann sehen. Und wer entsprechend dem Gewicht eines Stäubchens Böses tut, der wird es dann sehen}[5]

Indem der Islam den Muslimen diesen Vers einprägt, fördert er eine bewusste, dynamische und aufmerksame Lebensweise. Der Amerikaner Karl Forbes, der sich später zum Islam bekannte, drückte dies folgendermaßen aus: “Selbst wenn ich kein Muslim wäre und die Dinge lediglich vom sozialen Gesichtspunkt aus betrachtete, würde ich zu der Ansicht gelangen, keine Zivilisation und keine Gemeinschaft könnte auf besseren Grundlagen fußen als auf denen des Islam.”[6]



[1].      Al-Tirmidhī, Fitan, 7/2167.

[2].      Ahmad Bd. IV/278.

[3].      Al-Dārimī, Muqaddima, 14; Ibn Schayba, Musannaf, Bd. VII/90; Ibn Sa‘d, 193.

[4].      Al-Tirmidhī, Qiyāma, 55/2507.

[5].      Qur’ān, 99:7-8.

[6].      Siehe Ahmet Böken u. Ayhan Eryiğit, Yeni Hayatlar, Bd. II, S. 117.

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